Samstag, 29. Mai 2021

WISSEN - Lebenselixier Blut / scinexx 2005

 „Ein ganz besondrer Saft“
Lebenselixier Blut

Ob Dracula, der Vampir Lestat oder Nick Knight, sie alle wollen nur das eine: Blut. Der Mythos Blut hat die Menschheit schon immer fasziniert. Entsprechend vielseitig sind die Legenden, die sich in vielen Kulturen um das rote Lebenselixier ranken. Mephistopheles verlangte von Faust, den Pakt mit „einem Tröpfchen Blut“ zu besiegeln, denn „Blut ist ein ganz besondrer Saft“. Doch was macht ihn so besonders?


Neben Religion und Literatur hat sich auch die Wissenschaft bemüht, so viel wie möglich über das lebenswichtige Mysterium, das durch unsere Adern fließt, in Erfahrung zu bringen.

Hohe Blutverluste haben zwangsläufig den Tod zur Folge. Aber warum ist Blut so notwendig und welche Funktionen erfüllt es beim Menschen? Fünf bis sechs Liter fließen in unseren Adern. Doch wie kommt der Fluss überhaupt zustande?

Hauptaufgabe des Blutes ist der Transport von Sauerstoff von den Lungen zu den verschiedenen Geweben. Auf dem Rückweg nimmt es Kohlendioxid von dort zu den Lungen mit zurück. Das Blut ist aber nicht ausschließlich für den Gastransport zuständig. Eine ganze Reihe anderer Stoffe nutzen es als Transportmittel, um zu den Orten zu kommen, an denen der Körper sie benötigt. Dazu gehören zum Beispiel Hormone, aber auch Nährstoffe, die für den Stoffwechsel benötigt werden.

Doch das Blut leistet noch viel mehr: es transportiert beispielsweise giftige Abfallprodukte zu Leber und Nieren, wo sie ausgeschieden werden. Und es spielt eine wichtige Rolle bei der Abwehr von Krankheitserregern…


Von Riten, Religionen und Aberglauben

Mythos Blut

Wie ein roter Faden zieht sich der Mythos Blut durch Legenden und Religionen in aller Welt. Die wohl älteste Beschreibung eines Zauberrituals, bei dem Blut eine Rolle spielt, findet sich bei Homer. Als Odysseus bei seinem Abstieg in die Unterwelt auf die Seelen der Toten trifft, muss er ihnen zunächst das Blut verschiedener Opfertiere darbringen. Erst durch das Trinken dieser Flüssigkeit erlangen die Toten die Erinnerung zurück und erkennen den Helden wieder.

Die Legende von Vampiren ist keineswegs nur ein abendländischer Mythos. Bei fast allen Kulturen gab es Vorstellungen von Untoten, die Blut tranken, auch bei den Germanen, Römern und Kelten sowie in Afrika.

Im antiken Griechenland waren sie unter dem Namen „Lamias“ bekannt. Der Legende nach handelte es sich um vampirartige weibliche Gespenster, die oft halb menschlich, halb tierisch erschienen. Sie aßen das Fleisch ihrer Opfer und tranken deren Blut.

Doch nicht nur in der Literatur, auch in der Religion hatte Blut schon immer einen besonderen Stellenwert. Im Altertum waren Chinesen und Ägypter der Ansicht, dass die Kräfte ihrer erschlagenen Feinde auf sie übertragen würden, wenn sie deren Blut tranken. Auch die Germanen sollen sich am noch warmen Blut von erlegten Bären, Wölfen und Rindern gelabt haben, um sich deren Eigenschaften anzueignen.


Blutopfer

Blutopfer waren eine besondere Form der Zeremonie, bei der tierisches oder menschliches Blut einer Gottheit dargeboten wurde. Bei den Mayas galt Blut sogar als Getränk der Götter. Daher musste es fließen, damit die Verbindung zu den Göttern und Ahnen nicht abriss.

Bereits die alten Babylonier und Ägypter glaubten zudem, dass das Blut der Sitz der Seele sei. Auch im Alten Testament wird Blut mit Leben gleichgesetzt. Das Blut von Opfertieren hat sühnende Kraft und Lammblut wurde in der Zeit der Inquisition an Wände gestrichen, um böse Geister abzuwehren. Beim Abendmahl wird das Blut Christi dagegen symbolisch getrunken, um die Vergebung von Sünden zu erwirken.

Blut wurde lange Zeit auch gerne als Ausdruck enger Bindungen benutzt. Eine Blutsbrüderschaft symbolisierte beispielsweise eine besondere Verbundenheit zwischen zwei Freunden, wie sie sonst nur bei einem Brüderpaar vorhanden ist.

Im Mittelalter galt das Blut neben Schleim, schwarzer und gelber Galle als einer der vier Lebenssäfte. Krankheiten wurden durch ein Ungleichgewicht dieser vier Säfte erklärt. Damit sich das Gleichgewicht wieder einstellte, musste überschüssiges Blut abgelassen werden. Doch auch, nachdem die Viersäftelehre längst überholt war, führten Ärzte den Aderlass noch als eine der gängigsten Behandlungsmethoden gegen alle erdenklichen Krankheiten bis ins 19. Jahrhundert durch.


Der Blutkreislauf wird entdeckt

Obwohl das Blut aus Literatur und Religion nicht wegzudenken war, wusste man lange Zeit wenig über das rote Lebenselixier. Woraus besteht das Blut? Wie entsteht es? Diese Fragen konnten Forscher erst in den späteren Jahrhunderten klären. Bis dahin glaubte man den Lehren Galens, wonach das Blut aus der Nahrung gebildet wurde. In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts entdeckte der britische Arzt William Harvey den Blutkreislauf. Damit sich das Blut nicht der Schwerkraft folgend in den Beinen ansammelt, muss es einen Antriebsmechanismus, also eine Pumpe geben. Diese Funktion übernimmt das Herz. Die Herzklappen sorgen dafür, dass das Blut nur in eine Richtung fließen kann, und zwar in den Arterien vom Herzen weg und durch die Venen zum Herzen zurück.

Wie kommt aber der kontinuierliche Blutstrom zustande? Eigentlich müsste das Blut nach jeder Kontraktion fast zum Stillstand kommen und dann wieder angetrieben werden. Die Natur hat das Problem mit elastischen Blutgefäßen anstelle von starren Röhren gelöst. So nehmen die Gefäße in der Nähe des Herzens zwischen zwei Herzschlägen größere Blutmengen auf und geben es während der Ausdehnung wieder ab. Das Blut wird also quasi als Welle aus dem Herz ausgestoßen und dann in eine kontinuierliche Strömung umgewandelt.

Woraus das Blut im einzelnen besteht, zeigt der Blick durchs Vergrößerungsglas…


Die einzelnen Blutzellen

Spezialisten im Einsatz

Wenn man sich in den Finger ritzt und den Tropfen Blut unter dem Mikroskop betrachtet, sieht man, dass das Blut keine einheitliche Flüssigkeit, sondern aus einzelnen Zellen aufgebaut ist. Einige sind hell, die anderen rot. Alle haben ihre spezifischen Aufgaben, denn Blut ist nicht einfach nur eine Flüssigkeit, sondern ein eigenes Organ. Es dient als Versorgungspipeline nicht nur für Sauerstoff und Nährstoffe, sondern ist auch Entsorger für Kohlendioxid und Gifte. Hier finden die wichtigsten Abwehrkämpfe gegen fremde Zellen und Eindringlinge statt. Deshalb ist der „Saft des Lebens“ aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Akteuren zusammengesetzt. Neben den reinen „Transportarbeitern“ wie dem Sauerstoff tragenden Hämoglobin tummeln sich hier „Soldaten“ und „Wachtrupps“ in Form von weißen Blutzellen wie den B-Zellen, T-Zellen und natürlichen Killerzellen.

Rote Blutkörperchen (Erythrocyten)

Den Hauptanteil bilden die Erythrocyten. Die roten Blutkörperchen sind annähernd eiförmig und in der Mitte etwas eingedrückt. Sie sind es, die den Sauerstoff zu den Geweben transportieren, und zwar über das Hämoglobin, ein eisenhaltiges Protein, das dem Blut seine rote Farbe gibt. Dabei wird der Sauerstoff an die Eisenmoleküle der Hämgruppen gebunden. Ist nicht genügend Hämoglobin vorhanden, kommt es zu Anämie. Diese Blutarmut kann zwar verschiedene Ursachen haben, aber in der westlichen Welt wird sie hauptsächlich durch Eisenmangel im Blut ausgelöst. Vor allem Frauen sind aufgrund ihrer Monatsblutungen davon betroffen, aber auch eisenarme Ernährung, beispielsweise bei Vegetariern kann eine Ursache für Eisenmangel sein.

Weiße Blutkörperchen (Leukocyten)

Neben den roten Blutkörperchen schwimmen auch noch weiße Zellen im Blutstrom mit. Die weißen Blutkörperchen sind Bestandteil des Immunsystems und bei der Abwehr von Krankheiten unerlässlich. Sie kommen nicht nur im Blut, sondern auch in der Lymphe vor. Dringen Krankheitserreger in den Körper ein, produzieren die B-Zellen Antikörper, die dann an die Erreger binden. So genannte T-Helferzellen werden auf diese Bindungskomplexe aufmerksam und geben das Signal zur Zerstörung. Handelt es sich um einen Virus, aktivieren die T-Helferzellen Killerzellen, deren Aufgabe darin besteht, die infizierten Zellen zu eliminieren.

Blutplättchen (Thrombocyten)

Doch rote und weiße Blutkörperchen sind nicht die einzigen Bestandteile des Blutes. Wird ein Blutgefäß verletzt, käme es zu einem unkontrollierten Ausstrom des Lebenssaftes – der Mensch würde ausbluten. Das zu verhindern ist Aufgabe der Blutplättchen. Sie dichten verletzte Blutgefäße ab und leiten die Blutgerinnung ein. Um ihre Aufgaben erfüllen zu können, muss ihr Anteil im Blut in engen Grenzen stabil bleiben. Sind zu wenig Thrombocyten vorhanden, kann es zu Blutungen kommen, zu große Mengen erhöhen dagegen das Risiko einer Thrombose. Dann bilden sich Blutgerinnsel in den Blutgefäßen, die den Blutfluss durch das Kreislaufsystem behindern.

Blutplasma

Natürlich brauchen Blutkörperchen und Thrombocyten noch ein flüssiges Medium, mit dem sie durch den Körper reisen. Diese Aufgabe übernimmt das Blutplasma. Es besteht zu 96 Prozent aus Wasser. Die restlichen vier Prozent sind Plasmaproteine, zu denen unter anderem auch die Immunoglobuline gehören, die als Antikörper bei der Immunantwort des Körpers aktiv werden.


Selbstheilung bei offenen Wunden

Blutgerinnung

Wenn wir uns schneiden oder die Haut abschürfen, bildet sich relativ schnell eine Kruste auf der Wunde. Dieser Schorf ist nichts anderes als geronnenes Blut. Er verhindert, dass beschädigte Blutgefäße ausbluten. Normalerweise beginnt die Blutgerinnung wenige Sekunden nach der Verletzung, indem zunächst Blutplättchen einen blutstillenden Pfropfen bilden, der später noch durch ein feines Netz von Fibrinfasern verstärkt wird. Fibrin hat eine blutstillende Wirkung und löst die Reparatur des Blutgefäßes aus. Es ist jedoch nicht sofort im Blut enthalten, sondern muss erst in einer Kettenreaktion aus Vorstufen produziert werden, wobei circa 30 verschiedene Faktoren beteiligt sind.

Da viele dieser Gerinnungsfaktoren in der Leber gebildet werden, haben Funktionsstörungen dieses Organs oft fatale Auswirkungen auf die Blutgerinnung. Ausgelöst wird der Gerinnungsprozess durch Signale, die nur lokal als Antwort auf die Verletzung gegeben werden. Schließlich gilt es zu verhindern, dass das gesamte Blut gerinnt, da es dann seine Funktion als Transportmedium nicht mehr ausüben könnte.


Doch nicht immer kommt bei einer Verletzung die Blutung zum Stillstand. Blutegel können zum Beispiel eine halbe Stunde lang das Fünffache ihres Körpergewichts an Blut saugen, ohne dass das Blut an der Bisswunde gerinnt. Ihr Trick: Sie geben beim Saugen eine Substanz in die Wunde ab, das Hirudin, welches dafür sorgt, dass das Blut flüssig bleibt und der Blutegel seine Mahlzeit fortsetzen kann. In der Blutbahn macht Hirudin den Blutgerinnungsstarter Thrombin unwirksam, indem es sich mit ihm zusammenlagert.

In der Medizin werden Hirudin und ähnliche Stoffe Patienten heute schon verabreicht, um Thrombosen nach Operationen oder auf Langstreckenflügen zu verhindern.

Doch nicht nur chemische Substanzen können die lebenswichtige Gerinnung verhindern. Bei einigen Menschen funktioniert dieser Schutzmechanismus von Geburt an nicht. Sie leiden an der erblich bedingten Bluterkrankheit. Kommt es zu einer Verletzung, bildet sich kein Schorf, sondern die Wunde blutet ungehindert weiter, was zu beträchtlichem Blutverlust führen kann. Bekanntestes Beispiel ist die Bluterkrankheit, eine Erbkrankheit, deren prominenteste Opfer Mitglieder der europäischen Königshäuser waren.


Bluterkrankheit

England im ausgehenden 19. Jahrhundert. Queen Victoria will sich den Einfluss auf dem Kontinent sichern und verheiratet ihre Töchter mit den bedeutendsten Herrscherfamilien. Schon bald kommen Kinder zur Welt. Doch viele, vor allem die männlichen Nachkommen, haben mit einem schweren Handikap zu kämpfen. Verletzen sie sich, fließt Blut – und hört nicht mehr auf zu fließen. Die Wunden wollen sich einfach nicht mehr schließen. Nur wenige Kinder werden erwachsen. Viele sterben schon kurz nach ihrer Geburt oder lange vor ihrem 18. Lebensjahr.

Was ist das für eine Krankheit, die vor allem Jungen das Leben kostet? Wie konnte sie sich in kürzester Zeit in großen Teilen Europas unter Königen, Herzögen und anderen Mitgliedern des Hochadels ausbreiten? Ausgangspunkt und Urheber der Krankheit ist die machthungrige Königin selbst…

Forscher haben herausgefunden, dass die Ursache für die so genannte Bluterkrankheit die Mutation eines Gens auf dem X-Chromosom ist, das einen der Blutgerinnungsfaktoren codiert. Frauen haben bekanntlich zwei X-Chromosomen und Männer ein X- und ein Y- Chromosom. Da die Krankheit rezessiv vererbt wird, bricht sie nicht aus, wenn das intakte Gen auf dem zweiten X-Chromosom in der Lage ist, den Gerinnungsfaktor ordnungsgemäß herzustellen. Daher sind Frauen, die den Defekt nur auf einem X-Chromosom tragen, nicht krank, wohl aber Überträger. Bei Männern hat das Y-Chromosom jedoch keine Gene, die die Gerinnungsfaktoren codieren. Wenn das Gen auf dem X-Chromosom fehlerhaft ist, kann es daher nicht durch ein funktionierendes Gen auf dem zweiten Chromosom ersetzt werden.

Weil Männer ihr X-Chromosom von der Mutter erhalten, besteht bei dem Sohn einer gesunden Mutter, die aber Überträgerin ist, eine 50 prozentige Chance, dass er das fehlerhafte Chromosom von ihr erbt und damit auch die Krankheit. Eine Frau dagegen muss schon zwei fehlerhafte Chromosomen erhalten, damit die Krankheit ausbricht, eines von der Mutter und eines vom Vater. Dies würde aber bedeuten, dass der Vater selbst Bluter ist!

Da infizierte Männer besonders in früheren Zeiten selten die Geschlechtsreife erreichten, trat Hämophilie bei Frauen nur sehr vereinzelt auf. Mit den besseren Behandlungsmöglichkeiten hat die Anzahl der infizierten Frauen jedoch zugenommen. Es gibt zwar noch immer keine Heilung, aber durch regelmäßige Injektionen mit den Gerinnungsfaktoren lässt sich die Krankheit heute kontrollieren.


Das System der Blutgruppen

Blut ist nicht gleich Blut

Wenn jemand dringend eine Transfusion braucht, bestehen die Ärzte zunächst auf der Bestimmung der Blutgruppe. Warum ist es so wichtig, dass der Patient Blut derselben Blutgruppe erhält? Vor der Entdeckung der Blutgruppen wurden Blutübertragungen nur sehr selten durchgeführt, weil sie oft tödlich endeten. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts waren sie deswegen in den meisten europäischen Ländern sogar untersagt.

Da hin und wieder aber doch Transfusionen von Erfolg gekrönt waren, überlegte sich der Wiener Arzt Karl Landsteiner, ob ein wie auch immer geartetes System dahinter steckt. Er entnahm sich selbst und fünf seiner Mitarbeiter Blut und mischte es in allen Kombinationen. Aus den Ergebnissen leitete er 1901 das System der Blutgruppen ab, für das er später sogar den Nobelpreis bekam.

Landsteiner entdeckte, dass das Serum der Blutgruppen A, B und 0 bestimmte „Verklumpungsstoffe“ enthält, die sich an die roten Blutkörperchen anderer Blutgruppen anlagern und diese so miteinander verkitten, dass die Blutgefäße verstopft werden. Dabei handelt es sich um Proteine an der Oberfläche der roten Blutkörperchen, die als Antigene wirken. Erythrocyten mit einer anderen Oberflächenzusammensetzung werden als Fremdkörper erkannt und bekämpft. Das funktioniert nach dem Schlüssel-Schloß-Prinzip. Lymphocyten bilden die passenden Antikörper, die an die fremden Antigene andocken und einen unlöslichen Komplex bilden.


Rhesusfaktor

Landsteiners Erkenntnisse revolutionierten die damalige Medizin und waren unter anderem bei der Behandlung von Verwundeten im ersten Weltkrieg von großem Nutzen. Ab und zu traten aber immer noch unerklärliche Komplikationen auf, die ihn dazu veranlassten, sein Wissen über das rote Lebenselixier noch weiter zu vertiefen. Im Jahr 1940 entdeckte er schließlich bei Experimenten mit Rhesusaffen, dass es noch ein Merkmal gibt, das an der Verträglichkeit beteiligt ist. Der Forscher isolierte einen weiteren Bestandteil der Zellmembran von roten Blutkörperchen, den er Rhesusfaktor nannte.

Dabei geht es nach dem Prinzip Haben (Rh+) oder nicht Haben (Rh-). Doch wieso entscheidet der Rhesusfaktor darüber, ob das Blut für einen Patienten geeignet oder gefährlich ist? Spendet jemand mit positivem Rhesusfaktor für eine Person mit negativem Rhesusfaktor, besteht bei dem Patienten die Gefahr der Hämolyse. Dabei kommt es zu einer totalen Zerstörung von roten Blutkörperchen. Weil die Zellen des Patienten den Rhesusfaktor nicht haben, erkennen sie ihn auf den Spenderzellen als Fremdkörper und bekämpfen die Zellen entsprechend. Das heißt, sie produzieren Antikörper gegen den Rhesusfaktor. Der Antigen-Antikörper-Komplex signalisiert bestimmten Immunzellen, dass ein Fremdkörper eingedrungen ist. Diese spezialisierten T-Killerzellen zerstören den Komplex und entfernen ihn aus dem Körper. Nach der Auflösung der Zellmembran kommt es zur Ausschwemmung von Hämoglobin. Andersherum besteht das Problem jedoch nicht. Rh+ Patienten können also ohne Probleme Blut von Rh- Patienten empfangen.


Risiko bei Schwangerschaft

Der Rhesusfaktor spielt aber auch bei Schwangerschaften eine wichtige Rolle. Beim ersten Kind geht normalerweise alles gut. Aber, wenn eine Rh- Mutter bereits ein Rh+ Kind zur Welt gebracht hat, haben sich in ihrem Blut Antikörper gegen Rh+ gebildet. Wird sie nun erneut schwanger, und zwar wieder mit einem Rh+ Kind, dringen die Antikörper durch die Plazenta und können das Blut des Kindes hämolysieren. Diese Rhesusunverträglichkeit war früher häufig die Ursache für Totgeburten. Heutzutage impfen Mediziner die Mütter sofort nach der Geburt des ersten Kindes mit anti-Rh Antikörpern, so dass die fremden Erythrocyten zerstört werden, bevor das Immunsystem Abwehrzellen gegen das Blut des Kindes bilden kann. Bei einer weiteren Schwangerschaft wird diese Impfung zusätzlich in der 28.-30. Schwangerschaftswoche wiederholt.

Forscher haben mittlerweile 20 verschiedene Blutgruppen beim Menschen identifiziert. Das AB0-System und das Rhesus-System gehören zu den gängigsten.


Risiken einer Bluttransfusion

Der Fluch des Blutes

Leider nutzen nicht nur Hormone, Sauerstoff und Nährstoffe das Blut als Transportmittel. Ebenso effektiv können Krankheitserreger über die Blutbahn im gesamten Körper verteilt werden, wenn sie erst einmal in das System gelangt sind. Spätestens seit dem Skandal um HIV-verseuchte Blutkonserven in den 80er Jahren weiß man, dass Bluttransfusionen zwar Leben retten, aber auch ein akutes Risiko bergen, wenn das zugeführte Blut nicht sorgfältig auf Infektionserreger und Verträglichkeit überprüft wird. Erst seit Ende der 90er Jahre gibt es beispielsweise standardmäßige Tests auf HI- und Hepatitis-Viren.


Hepatitis

Die DDR Ende der 70er Jahre. Als Vorbeugemaßnahme gegen Rhesusfaktor-Unverträglichkeiten bei nachfolgenden Schwangerschaften werden 7.000 Frauen nach der Geburt ihres Kindes mit dem Anti-D Immunoglobulin geimpft. Da ein Teil der Chargen jedoch mit dem Hepatitis-C-Virus verseucht ist, infizieren sich rund 2.500 Frauen mit der Krankheit.

Inzwischen haben routinemäßige Überprüfungen von Blutkonserven das Risiko einer Hepatitis-Infektion bei Transfusionen reduziert. Vor der Einführung von verlässlichen Tests auf Hepatitis-Viren ist es jedoch immer wieder zu Infektionen über verseuchte Blutkonserven gekommen. Wie konnte das passieren? Viele Blutspender wissen gar nicht, dass sie die Hepatitis-Viren in sich tragen, weil es gut zehn bis 20 Jahre dauern kann, bis sie die typischen Symptome wie Fieber und Gelbsucht verspüren.

Kommt die Krankheit dann zum Ausbruch, gibt es unterschiedlich kritische Formen. In den meisten Fällen einer Hepatitis B Infektion schafft es der Körper, Antikörper zu entwickeln, die in der Lage sind, die Viren zu bekämpfen und die Infektion von selbst wieder los zu werden. Bei fünf bis zehn Prozent der Fälle kommt es jedoch zu einer chronischen Entwicklung. Die Patienten produzieren zwar auch Antikörper gegen Hepatitis B, aber nicht genug, um die Viren erfolgreich aus den Leberzellen zu vertreiben.

Noch bedrohlicher sieht die Situation bei Hepatitis C aus, vor allem, weil es – im Gegensatz zu Hepatitis B – hierfür bisher noch keinen Impfstoff gibt. In akuten Fällen entwickelt sich eine Leberzirrhose. Forscher erhoffen sich neue Behandlungsmethoden, nachdem es im Februar 2005 gelungen ist, den Virus für Hepatitis C in einer Zellkultur zu züchten.


West-Nil-Virus

Schon Alexander der Große soll am West-Nil-Virus gestorben sein, da Berichten zufolge kurz vor seinem Tod angeblich Raben tot vom Himmel fielen. Ähnliches ereignete sich im Jahr 1999 im New Yorker Central Park. Das Virus war mit einem Flugzeug in die westliche Welt gelangt und breitete sich rasant auf dem amerikanischen Kontinent aus. In den letzten Jahren ist das Virus auch in Deutschland immer wieder in die Schlagzeilen geraten. Der Name stammt vom West-Nil-Distrikt in Uganda, wo das Virus 1937 zum ersten Mal isoliert wurde. Es tritt sowohl in tropischen als auch gemäßigten Zonen auf und infiziert hauptsächlich Vögel. Aber auch Menschen und andere Säugetiere fallen ihm zunehmend zum Opfer. Allein in den USA wurden 2002 über 4.000 Fälle gemeldet, wovon 284 tödlich endeten. Bei 13 Fällen erfolgte die Ansteckung durch Bluttransfusionen.

Hauptüberträger für das West-Nil-Virus ist die Mückenart Culex pipiens. Die Forscher wunderten sich, warum sich das Virus in Nordamerika schneller ausbreitete als in Europa. Daher untersuchten sie die Mückenart genauer und fanden 2004 heraus, dass in Europa zwei Unterarten leben. Die eine sticht bevorzugt Vögel, die andere Menschen. In Amerika dagegen, existiert eine Zwischenform, die sowohl Vögel als auch Menschen sticht und so als hervorragender Überträger des Virus funktioniert.

Zunächst glaubte man, dass das Virus nicht von Mensch zu Mensch wandert. Seit 2002 haben sich jedoch Vermutungen bestätigt, dass es durchaus auch mit dem Blut bei Transfusionen und Organtransplantationen übertragen werden kann. Um das Risiko so gering wie möglich zu halten, dürfen Personen, die sich zwischen Juni und November in Nordamerika aufgehalten haben, nach ihrer Rückkehr vier Wochen lang kein Blut spenden. Da die Vermehrung des Erregers sowie seines Überträgers temperaturabhängig ist, kommt es hauptsächlich in den warmen Sommermonaten zu Epidemien.

Während eine Infektion bei 80 Prozent der Bevölkerung keine Symptome hervorruft, kommt es bei der Minderheit zu grippeähnlichen Erscheinungen. Gefährlich wird es dann, wenn das Virus die Blut-Hirn-Schranke passiert und eine Hirnhautentzündung auslöst. Bisher gibt es noch keine wirksamen Behandlungsmethoden, allerdings befindet sich seit April 2005 ein Impfstoff in einer Testphase.


Mit Sichelzellenanämie gegen Malaria

Tödliche Gene als Lebensretter

Manchmal hat die Natur seltsame Gesetze. Das werden sich auch die Forscher gedacht haben, die den Zusammenhang zwischen Malaria und der Sichelzellenanämie entdeckten. Letztere ist eine Erbkrankheit, die durch eine Mutation am Hämoglobin-Gen verursacht wird. Dadurch verzerrt sich die Form der roten Blutkörperchen zu sichelförmigen Gebilden, die in den Blutgefäßen stecken bleiben und die Gewebe von der notwendigen Sauerstoff-Versorgung abschneiden. Gelangt kein Blut mehr zum Herzen, weil die Gefäße verstopft sind, kommt es zum Infarkt.

Laut Darwin’s Devise „Survival of the Fittest“ sollten gravierende Mutationen eigentlich nur vereinzelt auftreten und im Zuge der Evolution ausgemerzt werden. Wieso tritt die Sichelzellenanämie dann aber besonders in Malaria-Gebieten wie beispielsweise in West-Afrika so häufig auf? Die Forscher fanden heraus, dass die mutierten Zellen unter bestimmten Umständen, tatsächlich einen Selektionsvorteil bieten. Malaria-Erreger befallen ausschließlich rote Blutkörperchen. Da Sichelzellen jedoch instabiler sind, werden sie schneller abgebaut, wobei die Erreger gleich mit abgetötet werden.


Mücken als Überträger

Malaria gehört zu den bekanntesten Tropenkrankheiten. Übertragen wird der Parasit, der Einzeller Plasmodium, durch die Anopheles-Mücke. Sticht die Mücke jemanden, der bereits infiziert ist, nimmt sie die Plasmodien mit dem Blut auf. Beim nächsten Opfer kommt es durch den Kontakt zur Übertragung. Sind die Parasiten erstmal in den menschlichen Körper gelangt, wandern sie zur Leber und teilen sich dort. Die Tochterzellen dringen dann in die roten Blutkörperchen ein, wo sie sich weiter vermehren und irgendwann explosionsartig freigesetzt werden. Die Folge sind die regelmäßigen Fieberschübe, für die Malaria bekannt ist.

Der Malariaerreger macht zwei unterschiedliche Entwicklungsstadien durch, einen geschlechtlichen Zyklus in der Mücke und einen ungeschlechtlichen im Menschen. In der Anopheles-Mücke vereinigen sich die weiblichen und männlichen Plasmodien. Nach der Befruchtung entstehen innerhalb von acht bis 16 Tagen die so genannten Sporozoiten, die beim nächsten Saugen in die Blutbahn eines menschlichen Wirts gelangen. In den Leberzellen wachsen sie zur nächsten Zwischenform, dem Schizonten, heran. Im schlimmsten Fall, der Malaria tropica, entwickeln sich alle Schizonten zu reifen Zellen, deren Tochterzellen nach der Zerstörung der Leberzellen in die Blutbahn gelangen und dort die Erythrocyten befallen.

Bei den harmlosen und schwachen Malariavarianten vollendet nur ein Teil der Schizonten diese Entwicklung. Die übrigen verfallen in eine Art Ruhephase, in der sie Monate oder Jahre in der Leber überdauern können. Erst dann reifen sie und lösen die typischen Rückfälle der Krankheit aus.

Der Parasit stellt es sehr geschickt an, sich gegen Angriffe des Immunsystems zu schützen, indem er die ganze Zeit über innerhalb der Leberzellen und Blutkörperchen bleibt. Zudem produziert er noch ein Protein, dessen Zusammensetzung er in Abständen immer wieder variiert, was eine Anpassung des Immunsystems unmöglich macht.


Hoffnung auf einen Impfstoff

Doch seit einiger Zeit meldet die Forschung erste große Erfolge beim Kampf gegen Malaria. Ein internationales Wissenschaftlerteam hat 2002 die Genome von Plasmodium und Anopheles entschlüsselt. Nun wird fieberhaft an einem geeigneten Impfstoff gearbeitet. „Es kann allerdings noch gut ein Jahrzehnt dauern, bis ein Impfstoff für den weiträumigen Einsatz zur Verfügung steht”, sagt Brian Greenwood, Forscher an der London School of Hygiene and Tropical Medicine.

Zwar gibt es Mittel zur Malaria-Prophylaxe, allerdings entwickeln die Erreger durch Mutationen sehr schnell eine Resistenz gegen die gängigen Produkte. Auch hier sehen die Forscher Ansätze, die Krankheit zu bekämpfen. Anstelle der Plasmodien selbst, studieren sie die Auswirkungen der Mutationen an Hefemodellen. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse können die Forscher nun zur Entwicklung von geeigneten Medikamenten einsetzen, gegen die Plasmodium nicht so schnell Resistenzen entwickeln kann. „Wir hoffen, innerhalb der nächsten drei bis fünf Jahre ein Medikament zu entwickeln, das uns befähigt, diese schreckliche Krankheit endlich zu behandeln“, sagt Bernard Trumpower, Professor für Biochemie an Neuenglands Dartmouth Medical School.


Wenn harmlose Erreger tödlich wirken

Attacken auf das Immunsystem

Was für Achilles die Ferse war, ist beim heutigen Menschen das Immunsystem. Es schützt uns vor Infektionen, aber wehe, wenn es selbst defekt ist. „Wunder Punkt“ sind die weißen Blutkörperchen, denn zu ihnen gehören die Zellen, die bei der Abwehr von Krankheitserregern in vorderster „Front“ stehen. Werden sie geschädigt oder zerstört, sind die Auswirkungen verheerend. Wenn das Immunsystem erst einmal außer Kraft gesetzt ist, ist der Körper anfällig für Viren, die er unter normalen Umständen als harmlos abschmettern würde.


AIDS

Das ist die Ursache der Immunschwäche AIDS, die Forscher aufgrund der Opferzahlen inzwischen mit der Pest im 14. Jahrhundert vergleichen. Fieberhaft versuchen sie die Krankheit zu bekämpfen, die sich besonders auf dem afrikanischen Kontinent immer weiter ausbreitet.

Verursacher ist das HI-Virus, ein Retrovirus, dessen Erbinformation in Form von RNA vorliegt, aber als DNA in das Genom der Wirtszelle eingebaut wird. Dieser Einbau in die körpereigene Erbinformation macht es nur schwer möglich, das Virus zu eliminieren. Zur Vermehrung benötigt es Körperzellen, die einen bestimmten Rezeptor – CD4 – auf der Oberfläche tragen. Beim Menschen sind das vor allem die T-Helferzellen, die für die zelluläre Immunabwehr zuständig sind. Nachdem das Virus seine Erbinformation in den Zellkern der Helferzelle eingebaut hat, zwingt es diese, neue Befehle anzunehmen. Anstelle von Botenstoffen, die die Immunantwort koordinieren, produziert die T-Helferzelle nun so lange HI-Viren, bis sie stirbt. Die dabei freigesetzten HI-Viren befallen dann andere T-Helferzellen und nutzen sie für ihre eigenen Zwecke.


In dieser Zeit findet ein ständiger Kampf zwischen Viren und Immunsystem statt. Die befallenen T-Helferzellen bringen pro Tag etwa zehn Milliarden Viren hervor, gleichzeitig stirbt jeden Tag eine Milliarde T-Helferzellen, die vom Körper ersetzt werden muss. Dies geht eine zeitlang gut, dann ist der Körper jedoch nicht mehr in der Lage, die ausreichende Menge an T-Helferzellen zu produzieren, um den täglichen Verlust auszugleichen. Ab diesem Zeitpunkt funktioniert das Immunsystem nicht mehr und der Patient wird anfällig für andere Krankheitserreger.

Nach etwa acht bis zehn Jahren können verschiedene Krankheiten infolge des geschwächten Immunsystems auftreten. Von AIDS spricht man definitionsgemäß, wenn die Anzahl der CD4-Zellen unter 200 pro Mikroliter gefallen ist. Das heißt, der Körper wird anfällig für Krankheiten, die so gravierend sind, dass sie zum Tod führen. Inzwischen ist die medizinische Forschung soweit fortgeschritten, dass man diesen Schritt verzögern und Komplikationen vermeiden kann. Eine Heilung ist jedoch immer noch nicht möglich.


Heilung in Sicht?

Zur Zeit konzentrieren sich die Forschungen auf die Entwicklung eines Impfstoffs. Die weltweit erste Phase-III-Studie wurde jedoch im Februar 2005 eingestellt, weil der Impfstoff nicht die erhoffte Wirkung gezeigt hat. Die Teilnehmern hatten Injektionen mit dem Eiweißmolekül gp120 erhalten. Damit verschaffen sich HI-Viren während der Infektion Zutritt zu den Immunzellen. Im selben Monat entdeckten Wissenschaftler des Children’s Hospitals in Boston und der Harvard Universität, wie gp120 seine Form ändert, sobald es an den CD4-Rezeptor bindet. „Das Wissen, wie gp120 seine Form ändert, führt uns in eine neue Richtung auf dem Weg HIV zu unterdrücken, indem wir Wirkstoffe einsetzen, die den Formwechsel hemmen“, sagt der Leiter der Studie Stephen Harrison und hofft, damit nun neue Ansätze bei der Entwicklung eines Impfstoffs zu finden.

Verbreitet wird das HI-Virus durch alle Formen von Körperkontakt, bei denen es zum Blutaustausch kommt. Erhöhte Gefahr bestand lange Zeit vor allem auch durch verseuchte Blutkonserven. Inzwischen gehören HIV-Screens jedoch zu den Standardprozeduren bei Blutspenden. Trotzdem besteht immer noch ein gewisses Restrisiko, da es nach der Ansteckung einige Wochen dauert, bis sich Antikörper im Blut bilden. Erst dann lassen sie sich durch den HIV-Test nachweisen.


Tödlicher Überschuss an weißen Blutkörperchen

„Weißes Blut“

Während bei AIDS die Anzahl von Lymphocyten abnimmt, tritt bei Leukämie das andere Extrem auf: im Knochenmark kommt es zu einer unkontrollierten Vermehrung von einer oder mehreren Arten weißer Blutkörperchen, die jedoch nicht funktionstüchtig sind. Bei der akuten lymphatischen Leukämie beispielsweise sind die Vorläufer der späteren Lymphocyten betroffen, bei der myeloischen Leukämie sind es die Granulocyten. Ausgelöst wird die Entartung durch DNA-Mutationen in den Stammzellen. Da die veränderten Zellen ins Blut ausgeschwemmt werden, siedeln sie sich in verschiedenen Organen an. Gleichzeitig verdrängt die Masse an Leukämiezellen im Knochenmark die Stammzellen, aus denen sich alle anderen Blutzellen entwickeln. Das stört die normale Blutbildung und es entsteht schließlich ein Mangel an allen Blutzellen. Typische Symptome der Leukämie sind Müdigkeit, Blässe, erhöhte Anfälligkeit für Infektionen und Neigung zu Blutungen.

Um Leukämie zu behandeln setzen Mediziner derzeitig Chemotherapie und Stammzellentransplantationen ein. Ziel der Chemotherapie ist es, Zellwachstum und Zellteilung der Krebszellen durch schwere Medikamente zu stoppen. Leider schädigen diese Zytostatika nicht nur das bösartige Gewebe, sondern ziehen auch gesunde Organe in Mitleidenschaft. Die Patienten leiden dann oft unter schlimmen Nebenwirkungen wie Übelkeit, Schleimhautentzündungen und Haarausfall.


Die fieberhafte Suche nach neuen Heilmethoden

Da eine Knochenmark- oder Stammzellentransplantation für den Empfänger immer ein riskanter Eingriff ist, sind neue Therapien dringend erforderlich. Die Forschung konzentriert sich zur Zeit darauf, effektive Angriffsstellen zu identifizieren.

Eines dieser potentiellen Ziele für neue Medikamente ist zum Beispiel das Enzym hDOT1L, das Gene aktiviert, die eine Schlüsselrolle bei der Entstehung von Leukämie spielen. Forscher der Universität von North Carolina haben im April 2005 entdeckt, dass dieses Enzym nicht nur für die Umwandlung der Knochenmarkzellen in unkontrolliert wachsende Leukämiezellen erforderlich ist, sondern auch, dass es aktiv sein muss, damit dies so bleibt. „Das bedeutet, wenn wir einen Weg finden, um die Aktivität des Enzyms hDOT1L zu unterbinden, könnten dadurch die betroffenen Zellen von Leukämie Patienten abgetötet werden“, sagt Yi Zhang, Leiter der Studien.


Bei den Wissenschaftlern des St. Jude Children’s Research Hospitals stehen die Killerzellen des Immunsystems im Mittelpunkt der Forschung. Im März 2005 gelang es ihnen, mithilfe von genetischen Modifizierungen Killerzellen im Labor zu kultivieren, die in der Lage sind, Leukämiezellen zu beseitigen. Mit dieser Methode hoffen die Forscher, die Heilungschancen bei verschiedenen Krebsarten, vor allem der akuten lymphatischen Leukämie bei Kindern zu verbessern.

Doch es gibt auch noch andere Methoden, um die Leukämiezellen unschädlich zu machen. Forscher der Universität Rochester entdeckten im Februar 2005, dass ein Inhaltsstoff des Mutterkrauts eine tödliche Wirkung auf Leukämiezellen hat. Anders als bei den herkömmlichen Medikamenten, die sich bisher auf dem Markt befinden, werden die normalen Zellen dabei verschont. Nachdem die Forscher den Reaktionsweg des Wirkstoffs aufgedeckt haben, der mit dem Zelltod endet, steht der Entwicklung einer neuen Therapie nichts mehr im Wege.

Über die Ursachen der Leukämie sind sich die Forscher immer noch nicht eindeutig im Klaren. Besonders gefährdet sind vor allem Personen, die ionisierenden Strahlen wie UV-Strahlen, Röntgen- und radioaktiver Strahlung ausgesetzt waren. Aber auch Chemikalien wie Zytostatika und Benzol sowie Defekte im Immunsystem können die Krankheit auslösen. Die Veranlagung kann aber auch genetisch bedingt sein.


Die sichere Alternative

Künstliches Blut

„Spenden Sie Blut – Ihre Spende kann Leben retten!“ So oder ähnlich lauten alljährlich die Aufrufe kurz vor der Urlaubszeit, mit denen Blutspendedienste werben. Denn vor allem in den Sommermonaten kommt es immer wieder zu Engpässen, weil nicht genügend Blutkonserven zur Verfügung stehen. Zum einen passieren durch den Reiseverkehr statistisch mehr Unfälle, so dass einfach mehr Blut benötigt wird. Zum anderen fallen regelmäßige Spender aus, weil sie im Urlaub sind.

Doch es gibt noch weitere Ursachen für die allgemein rückläufige Anzahl von Blutspendern, wie zum Beispiel das steigende Durchschnittsalter der Bevölkerung. Mit den fortschreitenden Möglichkeiten in der Medizin unterziehen sich viele ältere Menschen operativen Eingriffen, wie zum Beispiel einer Hüftoperation. Dies erfordert die vermehrte Bereitstellung von Blutkonserven. Allerdings halten Blutkonserven nur maximal 40 bis 42 Tage. Auch die steigende Anzahl von Menschen, die mit Krankheitserregern infiziert sind, wie beispielsweise HIV oder Hepatitis, macht immer mehr Spenderblut von vornherein unbrauchbar. Seit bekannt wurde, dass Krankheiten wie AIDS und Hepatitis durch Bluttransfusionen übertragen werden können, reagieren viele Menschen mit Skepsis, wenn es darum geht, menschliches Blut zu spenden oder anzunehmen.


Auf der Suche nach dem geeigneten Ersatz

Daher suchen Mediziner fieberhaft nach Ersatzmitteln. Künstliches Blut wäre die beste Alternative. Doch nach jahrzehntelangen Experimenten mussten die Wissenschaftler inzwischen einsehen, dass es trotz zahlreicher Bemühungen unmöglich ist, eine Flüssigkeit herzustellen, die alle Eigenschaften von menschlichem Blut besitzt. Die Forscher konzentrieren sich daher heute auf die wichtigsten Funktionen: den Sauerstofftransport und den Ausgleich von hohen Blutverlusten.


Bei den ersten Blutersatzprodukten kollabierten aber bereits nach kurzer Zeit die Kapillaren, weil sie dem Bedarf des umgebenden Gewebes nicht nachkommen konnten. Es entstand ein Unterdruck. Forscher hatten fälschlicherweise angenommen, dass künstliches Blut dünner als natürliches sein müsse, damit es besser zirkuliert. Und noch ein Denkfehler unterlief ihnen: Sie dachten, Sauerstoff könne besser wieder freisetzt werden, wenn die Bereitschaft, ihn zu binden, eher gering ist. Dabei besteht jedoch die Gefahr, dass der Sauerstoff zu früh und damit nutzlos in den Arterien anstatt in den Kapillaren freigesetzt wird.

Daher sind sich die Forscher jetzt einig, dass künstliches Blut dicker als natürliches Blut sein sollte, weil sich dadurch auch das Risiko reduziert, dass die Kapillaren zusammenbrechen. Amerikanische Forscher haben daraufhin ein Produkt namens MP4 entwickelt. Dabei handelt es sich um gefriergetrocknete rote Blutkörperchen aus menschlichem Spenderblut. Die Hämoglobinmoleküle wurden mit der Substanz Polyethylenglykol sperriger gemacht, so dass die Flüssigkeit zäher ist. MP4 besitzt gleichzeitig auch eine höhere Affinität für Sauerstoff als andere Produkte, und setzt den Sauerstoff dadurch erst in den Kapillaren frei – dort, wo er vom umliegenden Gewebe direkt aufgenommen werden kann.


Erster erfolgreicher Einsatz von künstlichem Blut

Zum ersten Mal wurde dieses künstliche Blut im Oktober 2003 erfolgreich bei einem Patienten in Schweden eingesetzt. Im Gegensatz zu frischem Blut ist der Ersatzstoff als Pulver jahrelang haltbar. Bei Bedarf wird es aufgelöst und dann dem Patienten injiziert. Das künstliche Blut ist zudem unabhängig von der Blutgruppe. Die Hauptfunktion, also der Transport von Sauerstoff, erfüllt das künstliche Blut sogar besser als das „echte“. Allerdings ist es bislang nur für den akuten Einsatz verwendbar, da es in 48 Stunden die Hälfte seiner Transportkapazität für Sauerstoff verliert. Im Februar 2005 wurde in Schweden die Testphase II erfolgreich abgeschlossen und damit der Weg in die dritte Phase geebnet.

Andere Wissenschaftler haben versucht, komplett künstliches Blut mithilfe von Perfluorcarbon herzustellen. Die Lösung ist milchig, sieht demnach gar nicht wie Blut aus, ist aber in der Lage Sauerstoff zu transportieren. Die Präparate bewährten sich jedoch nicht wie gewünscht und wurden bereits während der Testphase aufgegeben, weil die Risiken für die Patienten zu hoch waren. Neue Ideen waren gefragt.


Tiere als Quelle für Hämoglobin?

Wer einmal im Watt spazieren gegangen ist, kennt die kleinen Häufchen aus Sand, die der Wattwurm hinterlässt, wenn er sich durch den Boden gräbt. Doch wer hätte gedacht, dass diese unscheinbaren Tiere ein neuer Hoffnungsträger für die medizinische Forschung sind? Das aus den Würmern extrahierte Hämoglobin könnte in Zukunft als Ersatz für menschliches Hämoglobin oder für die Aufbewahrung von Organen dienen. Wenn menschliches Hämoglobin ohne den Schutz der Zellen drum herum übertragen wird, zerfällt es in kleinere Bruchstücke, die den Filterapparat der Nieren verstopfen. Das wäre beim Molekül des Wattwurms nicht der Fall, sehen die Forscher die 50fache Größe des Wurmfarbstoffs als Vorteil. Erste Tierversuche verliefen Erfolg versprechend, so dass die Forscher ihre neue Blutquelle in Frankreich zum Patent angemeldet haben. Weitere Versuche stehen aus, um die Verträglichkeit für den Menschen zu testen.

Auch in Deutschland sucht man nach einem Blutersatzstoff. Die Forscher haben bereits künstliches Blut aus roten Blutkörperchen von Schweineblut hergestellt. Der Sauerstoff wird dabei mithilfe so genannter Hyperpolymere transportiert. Das sind Riesenmoleküle, deren Eigenschaften denen des menschlichen Blutes entsprechen. Diese Moleküle werden gegen Sauerstoffmangel eingesetzt. Muss jedoch nach Blutverlust auch noch das Volumen aufgestockt werden, mischen die Forscher so genannte Plasma Expander dazu. Damit wird Blut vollständig ersetzt. „Der industriellen Herstellung von künstlichem Blut steht nun nichts mehr im Wege“, sagen die Wissenschaftler von SanguiBioTech, die eine Test-Produktion bereits abgeschlossen haben. Die Forscher sehen den Einsatz vor allem in der Notfallmedizin, wo er die Unabhängigkeit von Blutspenden sichern würde.


QUELLE: https://www.scinexx.de/dossier/lebenselixier-blut/


HISTORY - Blut als Heilmittel in der Antike

Römer tranken Gladiatorenblut als Heilmittel gegen Epilepsie!   Die alten Römer waren bekannt dafür, gewalttätige Formen der Unterhaltung zu...