Böses Blut
Gefährliche Bluttransfusionen
Nach Jahrhunderten im Glauben, Blut sei ein lebensrettender Saft, haben schon vor einigen Jahren erste Statistiken alarmierende Ergebnisse gebracht. Auf Dauer können Bluttransfusionen auch schwerwiegende Folgen haben, denn jede Transfusion ist eine enorme Herausforderung für das Immunsystem.
Etwa 5 bis 6 Millionen Blutbeutel werden in Deutschland jedes Jahr verabreicht, und das nicht nur, wenn es um Leben und Tod geht. Bluttransfusionen können riskant sein und für einige Patienten gefährlich werden. Was die Intensivmediziner schon länger vermuten, wird mittlerweile von vielen Studien bestätigt.
Transfusion gleicht einer Transplantation
Das gesunde Blut eines anderen Menschen kann uns schwächen. Milliarden rote und weiße Blutkörperchen werden von unserem Körper als Fremdlinge ausgemacht. "Es sind fremde Zellen mit denen der Körper konfrontiert wird, und diese fremden Zellen lenken das Immunsystem des Empfängers ab. Dadurch kommt es zu Veränderungen im Körper", so Fachärztin Dania Fischer vom Frankfurter Universitätsklinikum. Und wenn dies ausgerechnet dann passiert, wenn es dem Körper schon schlecht geht, muss sich sein Immunsystem zusätzlich mit Feinden in den Adern abkämpfen. Was jedem von uns bei einer Organspende sofort einleuchtet, passiert hier im Kleinen. Jede Transfusion ist eine Mini-Transplantation, die regelrechte Abstoßungsreaktionen hervorrufen und den Körper massiv schwächen kann.
Risikofaktor Fremdblut
Ärzte auf Intensivstationen kennen die Auswirkungen von Transfusionen schon länger. Beispiel Uniklinik Frankfurt: Ein Patient bekommt wegen einer starken Blutung Blutkonserven. Der Blutkreislauf erholt sich, aber seine Lunge wird einen Tag später so schwach, dass die Ärzte ihn wegen akuter Lebensgefahr in ein künstliches Koma versetzen müssen. Prof. Patrick Meybohm ist sich sicher: "Da sehen wir schon einen direkten Zusammenhang zwischen den Transfusionen gestern und der Organverschlechterung der Lunge heute." Untersuchungen haben dies bestätigt. Eine Studie mit über 10.000 Patienten bei Operationen verschiedenster Art hat gezeigt:
Bei nur 1 bis 2 Beuteln Fremdblut gab es
76 Prozent mehr Lungenkomplikationen
87 Prozent mehr Wundentzündungen
77 Prozent mehr Thrombosen
als bei Patienten ohne Transfusion.
Zusätzlich war die Todesrate 29 Prozent höher.
Infektionsanfälligkeit senken
Die Infektionsanfälligkeit kann durch Bluttransfusionen steigen, da unser Immunsystem einer Zusatzbelastung ausgesetzt wird. Laut Untersuchungen hat dies auch negative Auswirkungen auf Krebspatienten. Bei einer amerikanischen Studie mit 1.000 Krebspatienten kam es ohne Transfusion zu 244 Todesfällen und mit Transfusion zu 309 Todesfällen - also 65 Tote mehr.
Patient Blood Management
Vier Unikliniken arbeiten in zwischen an Maßnahmen, die Blut sparen helfen - an einem "Patient Blood Management". So werden die Blutwerte vor einer OP mit verschiedenen Maßnahmen "aufgepäppelt", etwa mit dem blutbildenden Hormon EPO. Zudem wird eine schonendere Narkose angewendet. Zum Einsatz während der OP kommen zudem sogenannte "Cell-Saver". Dabei handelt es sich um Blutreinigungsgeräte, die das verlorene Blut des Patienten während der Operation waschen und ihm direkt wieder zuführen. So kann der Einsatz von Blutkonserven während schwerer Operationen verzichtbar gemacht werden. Immerhin haben sich schon über 40 Kliniken dieser Initiative angeschlossen.
Ulrike Gehring / Martin Schneider
Stand: 23.2.2015, 15.18 Uhr